Richte deine Kamera auf die Milchstraße.
Mit diesen praktischen Tipps von professionellen Fotografen gelingt es dir, den Nachthimmel in seiner ganzen Pracht mit der Kamera festzuhalten.
Bild von Whitney Whitehouse
Das begehrteste Motiv der Astrofotografie.
Die Milchstraße ist unsere Galaxie. In ihr befinden sich alle Sterne, die wir am Nachthimmel sehen. In dunklen Nächten ist im Zentrum der Milchstraße eine leuchtende, milchige Wolke aus Sternen und Staub zu erkennen. Diese Wolke ist ein beliebtes Motiv in der Astrofotografie, die auch als Nachthimmel-Fotografie bezeichnet wird.
Für die Astrofotografie und insbesondere für gelungene Fotos der Milchstraße gilt, dass du zur richtigen Zeit mit der richtigen Ausrüstung am richtigen Ort sein musst – und reichlich Geduld benötigst.
Voraussetzungen für Erfolg.
Um gut vorbereitet zu sein, solltest du vorab einige Recherchen anstellen. Suche einen geeigneten Ort, und warte auf eine Nacht mit den richtigen Bedingungen. Packe Equipment ein, mit dem du für alle Eventualitäten gerüstet bist, um Enttäuschungen zu vermeiden. Du brauchst ein stabiles Stativ, einen Fernauslöser und eventuell ein Intervalometer, damit deine Aufnahmen nicht verwackeln.
Vollmond und Lichtverschmutzung als Herausforderungen.
Das Zentrum der Milchstraße ist auf der Nordhalbkugel nur zwischen April und Oktober und auf der Südhalbkugel zwischen Februar und Oktober zu erkennen. Den besten Blick auf die Milchstraße hast du während dieser Monate in dunklen Nächten an dunklen Orten. Wähle mithilfe eines Mondphasenkalenders eine Neumondnacht aus, oder lege deine Exkursion auf die Zeit vor Mondaufgang bzw. nach Monduntergang. „Diejenigen von uns, die tagsüber arbeiten, müssen also den Mondkalender mit dem Arbeitskalender abgleichen, um ein geeignetes Wochenende zu finden“, so die Fotografin Julia Ohst.
Um der Lichtverschmutzung zu entgehen, ist unter Umständen eine längere Fahrt aufs Land nötig. „Licht jeder Art – sei es der Mond, die Lichter der Großstadt oder auch nur eines kleineren Orts – lässt die Milchstraße sehr blass erscheinen“, erklärt Ohst. Suche im Internet nach Lichtverschmutzungs-Apps oder -karten (in den USA z. B. die Dark Site Finder-Website), mit denen du die nächstgelegenen dunklen Orte ermitteln kannst. Checke den Wetterbericht, um sicherzugehen, dass keine Wolken die Sicht einschränken.
Bilder von Julia Ohst
Geeignete Vordergrundelemente auswählen.
Gelungene Fotos der Milchstraße beziehen normalerweise auch Landschaftsmerkmale der Erde mit ein. Sie geben dem Bild Rahmen und Perspektive und verankern die Betrachter auf unserem Planeten. „Ich fotografiere die Milchstraße am liebsten hinter einer dramatischen Berglandschaft – oder über einem See, in dem sie sich dann spiegelt“, erzählt die Fotografin Whitney Whitehouse. Versuche, Linien auszumachen, die das Auge des Betrachters zu den Sternen lenken. „Felsen können eine Linie bilden, die den Blick hoch zur Milchstraße führt. Auch Bäume oder schwach erleuchtete Gebäude kommen infrage“, so Ohst.
Aufnahme bei Tageslicht planen.
Tagsüber ist die Milchstraße natürlich nicht zu sehen. Trotzdem kannst du schon einmal das Areal erkunden, geeignete Vordergrundelemente auswählen und den Rahmen deiner Aufnahmen planen. Ohst und Whitehouse empfehlen dafür PhotoPills. Die Smartphone-App zeigt, wo sich die Milchstraße im Verlauf der Nacht befinden wird. „Wenn ich an einem Ort mit einem coolen Vordergrund stehe, aktiviere ich die Augmented-Reality-Funktion der App und kann durch Ziehen meines Fingers den zeitlichen Verlauf der Milchstraße an diesem Standort visualisieren“, erklärt Ohst. „Mithilfe der App kann ich innerhalb einer Nacht mehrere verschiedene Kompositionen aufnehmen.“
Auch die Suche nach dem passenden Standort und der Aufbau des Equipments sind deutlich einfacher, wenn es hell ist. Das gilt besonders für Orte, die bei Astrofotografen beliebt sind. Schließlich willst du nicht im Dunkeln um sie herum laufen oder beim Aufbau ihre Aufnahmen durch das Licht deiner Stirnlampe kaputtmachen. „Überlege dir vorher, wo und in welche Richtung du deine Aufnahmen machen möchtest, damit du dich im Dunkeln nicht mehr damit beschäftigen musst“, rät Whitehouse.
Um sich in der Dunkelheit zurechtzufinden, empfiehlt Ohst als weitere App Gaia GPS. „Du startest die Aufnahme einfach, wenn du das Auto verlässt, und die App zeichnet deine Route auf. Das Ganze funktioniert sogar ohne Handy-Empfang, sodass du immer zurück zum Auto findest.“ Wenn du mehrere Kompositionen in einer Nacht planst, kannst du die einzelnen Standorte mit einem Wegpunkt markieren, um sie im Dunkeln zu finden.
Bild von Whitney Whitehouse
Tipps zur Kamerabedienung.
Es braucht Geduld und Übung, bis man die Kameraeinstellungen für gelungene Nachtaufnahmen beherrscht. Auf dem LCD-Display deiner DSLR-Kamera erscheint in der Dunkelheit möglicherweise alles extrem hell. Das Histogramm deiner Kamera ermöglicht eine realistischere Beurteilung der Helligkeit.
Den Fokus auf einen hellen Stern ausrichten.
Bei der Fokussierung auf 25.000 Lichtjahre entfernte Objekte kannst du dich nicht auf den Autofokus deiner Kamera verlassen. „Du musst den Fokus selbst ausrichten und ISO-Werte, Blende und Verschlusszeit in exakt der gewünschten Weise einstellen können. Das geht nur manuell“, erläutert Whitehouse. Sofern bei deiner Kamera verfügbar, kannst du die Fokuslupe nutzen („Live View“ bei Nikon-Kameras), um den Fokus scharf zu stellen. „Ich suche den hellsten Stern am Himmel und richte die Fokuslupe darauf aus, bis die Darstellung gestochen scharf ist. Auf diese Weise ist die ganze Szene perfekt fokussiert“, erklärt Whitehouse.
„Das klappt nicht immer im ersten Anlauf“, ergänzt Ohst. „Ich zoome deshalb heraus, mache eine Testaufnahme und zoome dann in die Testaufnahme ein, um zu prüfen, ob die Sterne genau zu erkennen sind. Oft sind sie das nicht, sodass ich es noch einmal versuchen muss.“ Ohst empfiehlt, den Fokus mehrfach zu prüfen. Besonders wichtig ist das, wenn du die Ausrichtung der Kamera änderst, da du dabei versehentlich den Fokusring berühren und die Aufnahme zerstören könntest. „Zuhause ist es zu spät, um das noch zu korrigieren“, warnt sie.
Wenn du noch nicht viel Erfahrung mit dem Fotografieren und dem manuellen Modus gesammelt hast, stellst du den Fokus am besten ein, bevor die Sonne untergeht. „Ein guter Trick ist, den Fokus auf das am weitesten entfernte Element der Landschaft auszurichten. So musst du dir nach Einbruch der Dunkelheit keine Gedanken mehr darüber machen“, rät Whitehouse.
Bild von Whitney Whitehouse
Mit dem Belichtungsdreieck experimentieren.
Als Belichtungsdreieck wird das Zusammenspiel zwischen Brennweite, Verschlusszeit und ISO-Zahl bezeichnet, das zu korrekt belichteten Fotos führt. Die besten Resultate bei Aufnahmen der Milchstraße erzielst du mit einem Weitwinkelobjektiv. (Whitehouse empfiehlt eine Brennweite zwischen 14 mm und 20 mm.) Bei einer kürzeren Brennweite kannst du eine längere Belichtungszeit einstellen, ohne dass die Sterne dadurch unscharf werden. Durch die Einstellung der Blende regelst du die Lichtmenge, die in die Kamera einfällt. Je niedriger der Blendenwert, desto mehr Licht wird durchgelassen. „Einige meiner Festobjektive gehen bis auf eine Blendenzahl von f/1,4 runter. Das ist ideal für die Astrofotografie“, so Whitehouse.
Der ISO-Wert bestimmt die Empfindlichkeit des Lichtsensors einer Digitalkamera. Whitehouse beginnt mit einem ISO-Wert um 3.200. Dazu stellt sie eine sehr niedrige Blendenzahl (f/1,8 oder f/2,8) und eine Belichtungszeit von 30 Sekunden ein. „Ist das zu hell, reduziere ich den ISO-Wert und verkürze eventuell die Belichtungsdauer um einige Sekunden.“ Für Ohst ist es wichtig, dass die Kamera einen hohen ISO-Wert unterstützt, damit so viel Sternenlicht wie möglich erfasst werden kann.
Mithilfe von Technologie Sternspuren vermeiden.
Eine der größten Herausforderungen bei der Milchstraßen-Fotografie besteht darin, einen ausreichenden Lichteinfall sicherzustellen, ohne dass dadurch Sternspuren entstehen (helle Linien, die bei langer Belichtungsdauer das „Wandern“ der Sterne durch die Erdrotation abbilden). Dieser Effekt lässt sich durch eine Erhöhung der ISO-Zahl vermeiden. „Je nach Dunkelheit fotografiere ich mit ISO 6.400, 8.000 und manchmal sogar 10.000“, so Ohst. „Aber bei diesen ISO-Werten kommt es zu wirklich starkem Bildrauschen. Man kann dann Pixel sehen, die teilweise seltsame Farben haben.“ Fotografen nutzen zwei Techniken, um dieses Rauschen bei langer Belichtung zu reduzieren: Stacking und Tracking.
Bild von Julia Ohst
- Stacking: Beim Stacking nimmst du dasselbe Foto 10–20 mal nacheinander auf. Anschließend lässt man die Fotos durch ein Programm wie Starry Landscape Stacker für macOS bzw. Deep Sky Stacker oder Sequator für Windows laufen. Die Software legt die Fotos mithilfe eines Algorithmus übereinander. Ohst verwendet meist den Median-Algorithmus, der den Mittelwert (Median) jedes Pixels ermittelt. „Auf diese Weise lassen sich einzelne farbige Pixel ausgleichen“, erklärt sie.
- Tracking: Mit „Tracking“ wird das Nachverfolgen der Sternenbahn bezeichnet. Dazu wird eine Nachführung (auch Astro- oder Skytracker genannt) auf dem Stativ angebracht und auf die Polarachse des Himmels ausgerichtet. Sie dreht die Kamera mit den „wandernden“ Sternen mit. Auf diese Weise lassen sich Fotos mit längerer Belichtungsdauer und niedrigem ISO-Wert aufnehmen und Sternspuren vermeiden. Der Nachteil der Nachführung liegt darin, dass der Vordergrund des Bildes unscharf wird. „Viele Fotografen verwenden Stacking und Tracking gleichzeitig. Sie stapeln nur zwei bis vier Bilder“, erklärt Ohst, „verwenden dabei aber eine Belichtungsdauer von bis zu vier Minuten.“
„Die besten Bilder der Milchstraße haben alle einen interessanten Vordergrund“, meint Ohst. Der lässt sich aber nur schwer berücksichtigen, wenn die Belichtung auf den Nachthimmel ausgerichtet ist. „Um alles mit einer einzigen Aufnahme zu erfassen, empfiehlt sich eine schwache Beleuchtung.“ Ohst verwendet ein LED-Panel, mit dem sie Helligkeit und Farbtemperatur bzw. den Weißabgleich einstellen kann. Da auch die niedrigste Beleuchtungsstufe noch zu hell ist, deckt sie das Panel mit weißen Tüchern ab.
Mit ihrer Stirnlampe macht Whitehouse eine schnelle Lichtmalerei der Szenerie. „Sind Berge im Vordergrund, helle ich sie gewöhnlich einfach bei der Nachbearbeitung auf“, erklärt sie. Sie weist aber darauf hin, dass sich Lichtmalerei und Foto-Stacking nicht kombinieren lassen, da sich die Bewegung des Lichts kaum für mehrere Aufnahmen wiederholen lässt. „Außerdem verärgert man damit schnell andere Fotografen, die vielleicht in der Nähe sind.“ (Whitehouse empfiehlt, zur Einstellung der Kamera eine Infrarot-Stirnlampe aufzusetzen, die niemanden stört.)
Mit Kompositionen experimentieren.
Mit Adobe Photoshop kannst du beeindruckende Kompositionen erstellen, indem du als Vordergrund für ein perfektes Milchstraßenfoto ein perfektes Dämmerungsfoto einfügst. Den Horizont eines Foto zu maskieren, kann sehr zeitaufwendig sein – vor allem, wenn Bäume enthalten sind. „Ich habe gelernt, Bäume zu meiden“, so Ohst.
Bilder von Whitney Whitehouse
Tipps zur Nachbearbeitung deiner Milchstraßenfotos.
Mit Adobe Photoshop Lightroom holst du das Optimum aus deinen Fotos heraus. „Mit Lightroom lassen sich Sättigung und Dynamik deiner Bilder erhöhen. Du kannst hier höher gehen als bei anderen Arten von Bildern. Vermeide aber einen zu starken Kontrast, weil die Sterne sonst körnig oder überbearbeitet wirken“, rät Ohst. Weitere Tipps findest du in unseren Lightroom-Tutorials. Lerne zum Beispiel, wie du Bildrauschen reduzierst und wie du den Bildvordergrund unabhängig vom Hintergrund bearbeitest.
Bevor du nun losziehst, um den Kern unserer Galaxie zu erkunden, rufe dir noch einmal die wichtigsten Regeln ins Gedächtnis: Vorsicht in der Dunkelheit, Rücksicht gegenüber anderen Fotografen und Geduld mit dir selbst. Fehler sind unvermeidlich. Aber mit etwas Übung werden dir schon bald fantastische Aufnahmen gelingen.
Mitwirkende.
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