Die Persistenz des Sehens.
Die „Persistenz des Sehens“ (auch Trägheit des Auges genannt) ist ein grundlegendes Prinzip der Animation. Tatsächlich ist sie der Hauptgrund, warum Animationen überhaupt funktionieren. Sie ist ein faszinierendes Phänomen, das dabei hilft, Kunst zum Leben zu erwecken. In diesem Artikel wird erklärt und anhand von Beispielen gezeigt, was die Persistenz des Sehens ist und wie sie beim Erstellen von Animationen hilft.
Was bedeutet „Persistenz des Sehens“?
Die Persistenz des Sehens ist eine Art optische Täuschung, bei der das menschliche Auge ein nicht mehr sichtbares Bild noch für kurze Zeit „sieht". Dieses Phänomen macht man sich bei Animationen zunutze, um den Eindruck von Bewegung zu erzeugen.
Eine erste Beschreibung und Definition des Effekts verfasste der Arzt Peter Mark Roget im 19. Jahrhundert. Er erklärte, dass ein Bild auf der menschlichen Netzhaut für den Bruchteil einer Sekunde fortbesteht, bevor es durch ein anderes ersetzt wird. Dies führte zu der Erkenntnis, dass Bilder, die in schneller Folge durch andere ersetzt werden, den Eindruck von Bewegung erzeugen.
Beispiele aus dem Alltag:
- Der durchgängige Lichtstreifen, der im Dunklen beim Hin- und Herschwenken einer Wunderkerze sichtbar wird
- Der rote Lichtkreis, den man beim schnellen Kreisen eines Räucherstäbchens sieht
- Die drehenden Flügel eines Ventilators, die wie ein einziger Flügel wirken
Die Persistenz des Sehens in der Animation.
Kreative können sich die Trägheit des Auges zunutze machen, um faszinierende Cartoons und Filme zu erstellen. Zeigt man mehrere statische Bilder mit geringfügigen Positionsänderungen in schneller Folge, entsteht bei den Betrachtenden die Illusion von Bewegung.
Diese Technik ist die Basis jeder Animation. Das menschliche Auge nimmt eine flüssige Bewegung wahr, ohne zu erkennen, dass es sich um eine Aneinanderreihung statischer Bilder handelt.
Wie nehmen Menschen Bewegung wahr?
Das Phänomen der Persistenz des Sehens beruht darauf, dass Auge und Gehirn des Menschen nur 10-12 Bilder pro Sekunde verarbeiten können, die Wahrnehmung eines Bildes jedoch für ein 15tel einer Sekunde bestehen bleiben kann. Wenn innerhalb dieses Zeitraums auf ein Bild ein weiteres folgt, wirken sie nicht mehr wie Einzelbilder, sondern zusammenhängend.
Die Framerate.
Die Framerate bezieht sich auf die Anzahl von Stand- oder Einzelbildern, die in einer Animation oder in einem Film pro Sekunde angezeigt werden. Für die Bewegungsanimation sind in diesem Zusammenhang zwei Konzepte wichtig: „Shot on twos“ und „Shot on ones“. Stelle dir für diese Beispiele vor, du erstellst eine Animation mit 24 Frames pro Sekunde.
- „On Twos": Normalerweise wird bei der Erstellung von sich bewegenden Objekten mit „Shot on Twos“ gearbeitet, was bedeutet, dass ein Bild 2 Frames lang sichtbar ist. In diesem Beispiel musst du also 12 Zeichnungen pro Sekunde anfertigen.
- „On Ones“: Diese Variante wird für Objekte gewählt, die sich sehr schnell bewegen sollen. Hier wird für jeden Frame eine eigene Zeichnung erstellt, d. h. 24 Einzelbilder pro Sekunde.
Je nach Animationsstil ist es auch möglich, mit „On threes“, „On Fours“ oder sogar „On Sixes“ zu arbeiten. Je höher die Anzahl der Frames mit demselben Bild ist, desto „ruckeliger“ wirkt die Animation.
Beispiele für die Persistenz des Sehens und Animationstechniken.
Wie wir gesehen haben, spielt die Persistenz des Sehens für Kreative eine wichtige Rolle. Experimentiere mit den nachfolgend beschriebenen Techniken, um herauszufinden, wie du dir dieses optische Phänomen am besten zunutze machst.
Daumenkinos.
Die Daumenkino-Animation zeigt auf einfache Weise, wie die Trägheit des Auges in der Praxis funktioniert. Durch das schnelle Durchblättern des Notizbuchs oder Blocks wirken die einzelnen Zeichnungen wie ein bewegtes Bild, da das menschliche Auge sie nicht so schnell verarbeiten kann. Diese Technik verdeutlicht sehr schön das Prinzip von Animationen.
„On Ones“.
3D-Animationen werden in der Regel nach der „On-Ones"-Methode erstellt, damit die Bewegung der Figur flüssig aussieht. Sie ist die richtige Wahl für detailreiche Szenen oder für die Darstellung von schnellen Bewegungen. Diese Art der Animation ist im Allgemeinen die teurere Variante. Am ehesten wirst du sie daher – kaum überraschend – in Disney-Filmen sehen.
„On Twos“.
Die Animationsform „On Twos“ wird am häufigsten angewendet. Sie eignet sich für einfache Bewegungen und ist perfekt für Einsteigende, um sich mit der Technik vertraut zu machen. Aber auch die meisten Filme basieren auf dieser Technik.
„On Threes“.
Dieser Animationsstil eignet sich für langsame Szenen, für Produktionen mit geringerem Budget oder für den charakteristischen Stil der detailliert gezeichneten Animes. In Animes wird auch mit Cel-Shading gearbeitet, um deren besonderen Look zu erzielen.
Mit Adobe Animate kannst du selbst ausprobieren, wie die Persistenz des Sehens funktioniert.
Geschichtliche Highlights.
Das Prinzip der Persistenz des Sehens und seine Anwendung in Animationen geht auf eine lange Geschichte zurück.
1. Die Entdeckung.
Der englische Arzt Peter Mark Roget war offiziell der erste, der das Phänomen der Persistenz des Sehens Anfang des 19. Jahrhunderts erkannte. Er führte es auf einen Mangel des Auges zurück, dass sich bewegende Objekte bei einer bestimmten Geschwindigkeit als stehend wahrgenommen werden.
Spätere Erfindungen, darunter Geräte wie das Phenakistiskop (Wunder- oder Lebensrad), zeigten, dass durch die schnelle Abfolge von Einzelbildern der Eindruck von Bewegung erzeugt wird.
2. Innovationen des 19. Jahrhunderts.
Das Phenakistiskop, 1832 zeitgleich von Joseph Plateau in Brüssel und von Simon von Stampfer in Berlin vorgestellt (letzterer bezeichnete es allerdings als Stroboskop), ist eines der ältesten Animationsgeräte und wurde zu einem beliebten Spielzeug des 19. Jahrhunderts.
Es handelte sich um eine Scheibe, auf der kreisförmig Einzelzeichnungen angeordnet waren. Wurde die Scheibe gedreht, entstand der Eindruck von Bewegung.
Das Zoetrop, das demselben Prinzip folgte, jedoch eine zylindrische Form hatte, war beim Publikum dieser Zeit sogar noch beliebter. In dem rotierenden, mit Schlitzen versehenen Gerät waren Streifen mit Einzelbildern angebracht.
3. Disney als Vorreiter.
Auch die einflussreichen und beliebten ersten Disney-Animationen machten sich die Trägheit des Auges zunutze. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte das Studio auf der Grundlage der früheren Erfindungen die traditionelle Form der Animation: die Cel- oder Folienanimation. Dabei werden die Figuren auf Zelluloid-Folien gezeichnet.
Wie bei einem Daumenkino bestand eine Sequenz aus vielen Einzelbildern, die schnell abgespielt die Illusion einer zusammenhängenden Bewegung erzeugten.
4. Das moderne Zeitalter.
Auch wenn Animationen heute zum großen Teil digital erstellt werden, das Kernprinzip der Animation bleibt dasselbe. Wenn wir unseren animierten Lieblingsfilm zu Hause ansehen, sehen wir die Bilder als flüssige Bewegung, obwohl ein Fernseher nur jede 24stel Sekunde einen neuen Frame zeigt.
Roget wäre sicher begeistert gewesen von dem, was die Persistenz des Sehens heute möglich macht: dass sich Millionen Menschen über Plattformen wie Netflix jeden Tag an Cartoons und Animes erfreuen können.
Häufig gestellte Fragen.
Wie lässt sich das Prinzip der Persistenz des Sehens veranschaulichen?
Am einfachsten lässt sich die Persistenz des Sehens, die auch als die Trägheit des Auges bezeichnet wird, anhand eines Daumenkinos erklären. Wenn man die statischen Einzelbilder in einer schnellen Abfolge sieht, wird ein Bild noch wahrgenommen, wenn es bereits durch das nächste ersetzt wird. Dies sorgt für die Illusion von sich bewegenden Bildern. Die Wahrnehmung des Bildes bleibt für den Bruchteil einer Sekunde bestehen, nachdem es bereits aus dem Blick verschwunden ist, sodass eine nahtlose Sequenz entsteht.
Was ist der Unterschied zwischen der Persistenz des Sehens und dem Phi-Phänomen?
Das Phi-Phänomen bezeichnet eine optische Illusion, bei der unbewegliche Objekte bewegt erscheinen. Möglich wird dies durch die Persistenz des Sehens: Die Wahrnehmung des ersten Bildes bleibt bestehen, auch wenn es nicht mehr zu sehen ist, sodass das nächste Bild nahtlos folgen kann.
Kreative setzen für Animationen das Phi-Phänomen und das Prinzip der Persistenz des Sehens in die Praxis um.
Welche Geräte basieren auf der Persistenz des Sehens?
Viele deiner Geräte zuhause basieren auf diesem Prinzip, sogar dein LED-TV. Die sogenannten POV-Displays (Persistence of Vision = Persistenz des Sehens) bestehen aus propellerförmig angeordneten LED-Leisten, die sich drehen. Die Drehbewegung bewirkt die Illusion eines durchgängigen Bilds.
Auch digitale Werbetafeln mit Hologramm-Display beruhen auf dem Prinzip der Persistenz des Sehens.