Rotoskopie: Alles, was du über die Animationstechnik wissen musst.

Es gibt einige Möglichkeiten, einer Figur in einer Animation Leben einzuhauchen – eine dieser Möglichkeiten ist die Rotoskopie. Obwohl man die Animationstechnik mit Filmen wie "A Scanner Darkly" oder der Amazon-Serie "Undone" in Verbindung bringt, reichen ihre Wurzeln bereits in die frühen 1930er-Jahre zurück.

Erfahre, wie die traditionelle Technik der Rotoskopie eingesetzt wurde und wie du modernes Rotoscoping in einem Programm anwendest.

Was ist Rotoskopie und wofür wird sie genutzt?

Rotoskopie ist ein Verfahren zum Zeichen von Bilderfolgen, das in Animationsfilmen genutzt wurde. Dabei unterscheidet man zwei Anwendungen: Bei der Rotoskopie werden Bilder einer realen Person, eines Tieres oder eines Objekts durch ein Rotoskop in Einzelbildern auf ein Zeichenbrett projiziert. Die dabei entstehenden Umrisse können dann für Matte Paintings, also Zeichnungen für Hintergründe, genutzt werden. In Variante zwei werden die projizierten Bilder einzeln übermalt.

Anfangs wurde dafür eine matte Glasscheibe verwendet, auf der der Bewegungsablauf abgepaust werden konnte. Die Rotoskopie-Animation wurde 1914 vom Animator Max Fleischer erfunden, um realistische Animationen mit lebensechten Bewegungen zu erzeugen. Anstatt alles von Hand zu zeichnen, konnten nun Realbildaufnahmen nachgezeichnet werden.

Die erste rotoskopische Zeichentrickfigur entstand, als Max Fleischer seinen Bruder in einem Clownskostüm filmte und abzeichnete. Das Rotoskopie-Verfahren ermöglichte es Animator*innen auch komplexe Szenen und Figuren mit einem größeren Detailreichtum zu zeichnen. Die Methode ist zwar zeitintensiv, ermöglicht aber die Erstellung von verblüffend realen Figuren, die sich wie Personen im echten Leben bewegen.

Bei der Rotoskopie können einzigartige, lebensechte Animationen entstehen.

Die Rotoskopie-Animation kommt nicht nur in Trickfilmen zum Einsatz, sie kann auch in Realfilmen eine Rolle spielen – Animator*innen können eine so genannte Matte erstellen, um ein Objekt aus einer Szene herauszunehmen und in einen anderen Hintergrund wieder einzubauen. Eines der bekanntesten Beispiele für Rotoskopie im Realfilm ist das Lichtschwert in "Star Wars".

Um diesen Visual Effect (VFX) in den ersten "Star Wars"-Filmen zu erzeugen, zeichneten die Animationsexperten auf jedes Einzelbild die Farbe und den Schein des Lichtschwerts über einen Stab, den die Schauspieler in der Hand hielten. Inzwischen wird die Rotoskopie fast ausschließlich am Computer mithilfe von Animationssoftware oder zur Erstellung visueller Effekte eingesetzt.

Entwicklung der Rotoskopie-Animation.

Bei der klassischen Rotoskopie werden Filmszenen Einzelbild für Einzelbild auf eine Mattglasscheibe projiziert und wie beim Durchpausen abgezeichnet. Dieses Verfahren wurde erstmals 1914 für die Animationsserie "Out of the Inkwell" vom Animator Max Fleischer eingesetzt, der darauf auch ein Patent anmeldete. Er gründete zusammen mit seinem Bruder die Fleischer-Studios aus denen bekannte Zeichentrickfilme wie "Betty Boop", "Popeye" oder die erste Superman-Serie stammen.

Als das Patent 1934 auslief, nutzten auch andere Animationsstudios diese Technik. Während die Fleischer-Studios Insolvenz anmelden mussten, nutzten die Walt Disney Studios 1934 die Technik für den ersten Trickfilm in Spielfilmlänge. “Schneewittchen und die sieben Zwerge“ stützte sich stark auf die Rotoskopie-Animation.

Für eine realgetreue Darstellung wurden echte Schauspieler gefilmt, die den Trickfilmzeichnern als Referenz zum Zeichnen diente. Viele der Tanzszenen im Film und auch die Bewegungen von Prince Charming wurden von Realbildaufnahmen rotoskopiert. Es sollten weitere Filme wie "Pinocchio" (1940) oder "Alice im Wunderland" (1951) folgen, in denen die Animationstechnik eingesetzt wurde.

Mit der Zeit wurde die Rotoskopie zunehmend in Realfilmen eingesetzt. Alfred Hitchcock nutze die Technik in seinem Film "Die Vögel" (1963), um Szenen mit angreifenden Vögeln darzustellen und auch Disney nutze die Rotoskopie für die Flugszene in "Mary Poppins" (1964). Um Julie Andrews möglichst realistisch fliegen zu lassen, wurden die Drähte, die an der Hauptdarstellerin befestigt waren, mittels Rotoskopie aus einer Szene entfernt.

Bei der Rotoskopie dient meist ein Realvideo als Vorlage für die spätere Animation, um möglichst realistische Bewegungsabläufe zu erzielen.

Hatte sich die Technik der Rotoskopie über viele Jahrzehnte in der Animation nicht wirklich weiterentwickelt, wurde sie Mitte der 90er-Jahre durch die Digitalisierung revolutioniert. Der Programmierer und Art Director Bob Sabiston entwickelte das interpolierte Rotoscoping für die Animation am Computer, um Kurzfilme für einen MTV-Wettbewerb zu erstellen. Er produzierte mehrere Kurzfilme, bevor er mit Richard Linklater an den Filmen "Walking Life" und "Der dunkle Schirm" arbeitete, bei deren Animation jeweils die Rotoskopie-Technik eingesetzt wurde.

Die Software, die mit ihrem Namen "Rotoshop" an das Bildbearbeitungsprogramm "Photoshop" angelehnt ist, sparte Animationsexperten durch den Einsatz von Keyframes wertvolle Zeit. Das Prinzip der interpolierten Rotoskopie funktioniert wie folgt: Die Software generiert sogenannte Zwischen-Frames, wodurch die Bilder im festgelegten Bereich ineinander übergehen. Die Software kopiert im Grunde eine nachgezeichnete Figur und wendet die gleichen Grundformen auf die anderen Bewegungen an.

Ob für die Umwandlung von Filmaufnahmen in eine vollständig animierte Version oder den Einsatz von Masken in Videos, mit denen die Schauspieler in Fantasiefiguren oder jüngere Versionen ihrer selbst transformiert werden – das Rotoskopie-Verfahren wird inzwischen für viele verschiedene Zwecke eingesetzt.

Rotoskopie im Film.

Die Rotoskopie wurde als Animationstechnik seit den 30er-Jahren immer häufiger in Filmen und später auch Musikvideos verwendet. Nach der Tanzszene in "Schneewittchen und die sieben Zwerge" sollten noch einige Beispiele folgen, wir wollen hier etwas näher auf die Rotoskopie im Film eingehen.

Schneewittchen und die sieben Zwerge: Einige Tanzszenen von Schneewittchen und die Bewegungen des Prinzen wurden mittels Rotoskopie animiert.

Die Vögel: Alfred Hitchcock griff in seinem tierischen Horrorthriller auf die Technik der Rotoskopie zurück, um die Angriffe der Vögel auf die Schauspieler möglichst realistisch wirken zu lassen.

Star Wars: Der Weltraum-Epos wäre ohne leuchtende Lichtschwerter und packende Kampfszenen wohl kaum denkbar. Um das Leuchten der Schwerter darzustellen, machten sich die Star Wars-Animator*innen die Rotoskopie zunutze. Während die Schauspieler am Set mit Holzstäben einen Kampf mimten, wurde der Leuchteffekt für die Schwerter nachträglich hinzugefügt.

Das charakteristische Leuchten der Lichtschwerter aus “Star Wars” wurde nachträglich per Rotoskopie hinzugefügt.

Musikvideos: Die Band A-ha wurde in den 80er-Jahren mit ihrer Musik, aber auch mit ihren innovativen Musikvideos bekannt. Gleich mehrere Videos der Band zeigen einen Mix aus Realbild und Comic und wurden zu einer Art Markenzeichen. Der Hit "Take on me" aus dem Jahr 1984 ist eine Mischung aus Realfilm und Cartoon-Effekt, der mittels Rotoskopie erzielt wurde.

Das Video wurde zwei Jahre später bei den MTV Video Music Awards mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die Lieder "The Sun Always Shines on T.V." und "Train of Through" waren im gleichen Stil gehalten. Auch 20 Jahre später kam die Animationstechnik in Musikvideos zum Einsatz – das Musikvideo "Breaking the Habit" der Band Linkin Park wurde 2004 komplett rotoskopiert.

Guardians of the Galaxy: Die Grundprinzipien des Rotoskoping finden sich auch in modernen Sci-Fi-Blockbustern wieder. Im Marvel-Film aus dem Jahr 2014 studierten die Animator*innen die Bewegung eines echten Waschbären, um diese später für die Animation von Rocket zu verwenden.

Undone: Die Amazon-Serie aus dem Jahr 2019 zeigt die verzerrte Wahrnehmung der Hauptdarstellerin nach einem Unfall. Zunächst als Realfilm geplant, entschied sich das Produktionsteam die komplette Serie mit Rotoskopie zu animieren. Damit ist Undone die erste vollständig mit Rotoskopie animierte Serie.

Nicht nur Filmemacher haben in den 80er-Jahren die Animationstechnik für sich entdeckt, auch Spielemacher nutzen die Rotoskopie für die Gamesentwicklung. Als erstes Computerspiel, das die Technik verwendete, gilt das Spiel "Karateka" aus dem Jahr 1984, aber auch Spiele wie "Prince of Persia" (1989) oder "Hotel Dusk: Room 215" aus dem Jahr 2007 nutzen Rotoskopie für die Darstellung der Charaktere.

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Weitere Infos

Rotoskopie-Animation anwenden.

Mit Rotoskopie kannst du ein ganzes Live-Action-Video animieren oder auch nur eine einzelne Figur nachzeichnen. Wir zeigen dir, worauf du vor und während der Umsetzung des Rotoskopie-Verfahrens achten solltest.

Das Referenzmedium.

Als Grundlage für die Rotoskopie dient immer ein Referenzmedium. Zunächst solltest du dir überlegen, ob du eine Person oder ein Objekt rotoskopieren möchtest. Wenn du keinen Film als Vorlage hast, kannst du auch eine Digitalkamera verwenden, um eine Szene oder eine Reihe von Sequenzen aufzunehmen. Als Anfänger*in solltest du lieber ein Motiv mit wenigen Gegenständen und einfachem Hintergrund verwenden.

Die richtige Software.

Hier entscheiden vor allem deine persönliche Vorliebe und wofür genau du die Animation einsetzen möchtest. Ob Adobe After Effects oder Adobe Animate – Rotoskopie kannst du mit beiden Programmen umsetzen. Auch hier entscheidet das Einsatzgebiet über die Wahl des Programmes: After Effects eignet sich hervorragend für das Rotoscoping visueller Effekte, du kannst deine Animation mit zusätzlichen Masken verbessern und die Haare einer Person weicher zeichnen oder eine Person vom Hintergrund lösen, indem du den Roto-Pinsel einsetzt. Möchtest du mit Rotoskopie animieren und zusätzlich deine Skills mit Animationstechniken erweitern, ist Animate dein Tool der Wahl.

Zeichne das Referenzmedium.

Referenzobjekt oder Person sowie die Software, in der du arbeitest, stehen nun fest – jetzt geht es an die Umsetzung. Betrachte das gesamte Video oder die Szene, die du bearbeiten willst und überlege, wie das Ergebnis aussehen soll. Zeichne die Bewegungen oder Ausdrücke nach, die du rotoskopieren möchtest. Wie andere Formen der Einzelbildanimation ist das Rotoskopieren ein zeitintensiver Prozess, der viel Geduld erfordert.

In Adobe Animate rotoskopieren.

  1. Erstelle ein neues Dokument und lege die Framerate fest. Ein HD-Video wird normalerweise mit 24 bis 30 Frames pro Sekunde (fps) abgespielt. Für eine möglichst flüssige Animation verwendest du am besten dieselbe Framerate wie die des Referenzvideos. Stelle zudem sicher, dass das neue Dokument dasselbe Seitenverhältnis hat wie das Referenzvideo. So kannst du die beiden leichter aneinander ausrichten.
  2. Sobald du dein Video importiert hast, kannst du festlegen, dass es nicht in einer Schleife, sondern nur einmal abgespielt wird. Erhöhe die Helligkeit, damit du die Linien besser erkennen kannst, die du auf die Frames zeichnen möchtest. Erstelle jetzt eine neue Ebene und setze Keyframes. Das sind Frames, in denen du die Position deiner Figur ändern kannst oder in denen ein neues Element in das Bild kommt. Gehe Frame für Frame vor und zeichne in jedem deine Figur nach. Vergiss nicht, deinen Fortschritt zwischendurch zu speichern und die Elemente übersichtlich zu organisieren. Gib jeder Ebene einen aussagekräftigen Namen, damit du sie später zuordnen kannst.
  3. Unterteile deine Figur in Formen wie Arm, Unterschenkel oder Fuß, sodass du nicht in jedem Frame das gesamte Motiv nachzeichnen musst. Kopiere die einzelnen Formen dann einfach, passe ihre Position im Arbeitsbereich an und korrigiere Details falls nötig. Wenn du für jeden Frame ein Hosenbein und einen Schuh auf derselben Ebene erstellst, musst du dieses Element nur einmal mit Farbe füllen. Sie wird in der gesamten Animation übernommen. Falls du die Farbe ändern willst, musst du sie nicht in jedem Frame einzeln anpassen.
  4. Um die Arbeit beim Rotoskopieren zu beschleunigen, kannst du auf die Technik des Form-Tweenings zurückgreifen. Dabei zeichnest du eine Vektorform in einem Frame und änderst oder ersetzt diese Form in einem anderen Frame. Animate setzt automatisch Zwischenformen zwischen den Frames ein, um eine Animation von der einen Form zur anderen zu erstellen.

Egal, ob du nur bestimmte Elemente oder gleich ein ganzes Video rotoskopieren möchtest, Animate bietet dir alle Tools, die du dafür benötigst. Beginne mit einfachen Schritten und versuche dich zunächst an einfachen Motiven. Mit etwas Zeit, Geduld und Routine im Nachzeichnen wird es dir immer leichter fallen, deine Konturen und Pinselstriche in einer Animation zum Leben zu erwecken.

Häufig gestellte Fragen.

Wofür kann ich Rotoscoping in After in Effects noch nutzen?

In After Effects kannst du mittels Rotoscoping-Verfahren mit vielen visuellen Effekten experimentieren. Trenne ein Objekt von seinem Hintergrund, ersetze unerwünschte Objekte oder verbessere die Kanten einer Roto-Pinselauswahl. Importiere und exportiere deine rotoskopierten Videos in Premiere Pro und schließe dein Projekt dort ab. Mit den Tutorials von After Effects kannst du deine VFX-Skills ausbauen und lernen, das Roto-Pinselwerkzeug in After Effects zu nutzen.

Kann ich Rotoskopie zum Entfernen von Objekten verwenden?

Die Rotoskopie wird nicht nur als Animationstechnik in Film und Fernsehen verwendet, sondern kommt auch als Kompositionstechnik in der Gestaltung visueller Effekte zum Einsatz. Du kannst After Effects nutzen, um mithilfe von Rotoscoping unerwünschte Objekte zu entfernen oder zu ersetzen.

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