Ferrotypie: eine traditionelle Fotografiekunst.
Ferrotypien waren die ersten Fotos, die für die breite Masse verfügbar waren. Und dank ihres silbernen Glanzes und der dramatischen Farbgebung sind sie über die Jahre beliebt geblieben und haben mittlerweile Kultstatus erlangt.
Foto von Jennifer Froula-Weber
Nutze die „Vintage Vibes“ der Ferrotypie.
Die Ferrotypie, auch Melanotypie, Blechfotografie oder auf Englisch „Tintype“ genannt, ist ein traditionelles Verfahren, bei dem ein Bild auf einer dünnen, dunkel lackierten Metallplatte (z. B. aus Eisen) aufgenommen wird.
Ferrotypien werden erzeugt, indem auf zwei Metallplatten Chemikalien aufgetragen werden. Daraufhin werden die Platten in einer Kamera Licht ausgesetzt und anschließend mit weiteren Chemikalien bearbeitet. So entsteht ein unterbelichtetes Negativbild. Wenn das Negativ auf einen dunklen Hintergrund gelegt wird, erscheinen die transparenten Bereiche schwarz, wodurch die Platte wie ein Positivbild aussieht.
Ferrotypien in der Geschichte der Fotografie.
Ferrotypien gingen der Filmfotografie voraus. Und vor den Ferrotypien im frühen 19. Jahrhundert gab es die Daguerreo- und Ambrotypien. Ambrotypie beschreibt im Grunde den gleichen Prozess wie bei der Ferrotypie, jedoch mit einer transparenten Glasplatte und einem schwarzen Hintergrund. Die Daguerreotypie war die erste öffentlich verfügbare Fotografiemethode. Hierbei kam statt Zinn oder Eisen ein fein poliertes Blech aus versilbertem Kupfer zum Einsatz.
„Der Prozess der Daguerreotypie war sehr teuer, weshalb er nur der wohlhabenden Bevölkerung zur Verfügung stand“, erklärt Fotografin Jennifer Froula-Weber. „Ferrotypien entstanden mit dem Ziel, einen kostengünstigeren und praktischeren Fotoprozess anzubieten, den sich die breite Masse leisten konnte.“
Die Ferrotypie wurde in den 1850er Jahren in Frankreich von Adolphe-Alexandre Martin erfunden. Ferrotypien haben den Beginn und das Ende des amerikanischen Bürgerkriegs erlebt und es durch das 20. Jahrhundert bis in unsere moderne Zeit geschafft.
„Ferrotypie-Fotografen waren damals auf Volksfesten anzutreffen“, erklärt Froula-Weber. „Es gibt Abertausende von Ferrotypien mit Portraits von Bürkerkriegssoldaten, die sie für ihre Familien aufgenommen haben. Denn Fotos waren plötzlich viel günstiger zu haben.“
Exemplare dieser alten Fotos finden sich in privaten Sammlungen, in der Bibliothek des US‑amerikanischen Kongresses und in Museen auf der ganzen Welt. Heute nutzen reisende Fotografen (die sich oft auf eine spezielle Art der Fotografie konzentrieren) die Ferrotypie, um Kunstwerke von avantgardistischer bildender Kunst bis hin zu Familienfotos im Vintage-Look zu erstellen.
Das brauchst du für Ferrotypien.
Es gibt zwei Arten von Ferrotypien: das Nassplatten- und das Trockenplatten-Verfahren.
- Bei der Nassplatten-Fotografie wird ein Kollodiumgemisch auf die Metallplatte aufgetragen, bevor sie in der Kamera belichtet wird. Die Platte ist noch feucht, wenn die Belichtung stattfindet.
- Beim Trockenplatten-Verfahren, einer modernen Weiterentwicklung der Ferrotypie, wird statt einer Flüssigkeit eine Schicht aus Gelatine aufgetragen. Damit kann auch mehr Zeit zwischen Auftragen und Belichtung liegen.
Alle Ferrotypien unterscheiden sich insofern von der modernen Digitalfotografie, als sie spezielle Geräte, Chemikalien und bestimmte physikalische Bedingungen erfordern. Eine Ferrotypiekamera ist eine Großbildkamera mit einem Plattenhalter, einem Objektiv und einem Stativ. „Es können Platten beliebiger Größe verwendet werden: von großen Bildern mit 60 x 80 cm bis hin zu kleinen Fotos mit 35 mm Seitenlänge“, so Fotograf David Clifford.
Einschließlich des Dunkelkammer-Zubehörs, der Chemikalien, der Platten und der Sicherheitsausrüstung belaufen sich die Kosten auf 2.000 bis 5.000 €. Du brauchst Silbernitrat-Pulver, Kollodium sowie Entwicklungs-, Fixier- und Lackiergemische. Für Einsteiger sind spezielle Pakete verfügbar, die das meiste Zubehör enthalten, das du für den Anfang brauchst.
Du musst auch die physikalischen Bedingungen deiner Aufnahmen berücksichtigen. „Es ist ein alter Prozess. Die Chemikalien sollten eine Temperatur von ca. 20 Grad bzw. Zimmertemperatur aufweisen. Gestern habe ich draußen aufgenommen; da waren es drei Grad. Es war eiskalt und wir haben nur zwei Ferrotypien geschafft. Für mehr war es einfach zu kalt“, so Clifford.
So erstellst du eine Ferrotypie:
Insgesamt umfasst der Ferrotypie-Prozess 30 Schritte und jedes Bild benötigt ca. 15 Minuten. Hier einige der Grundlagen:
Für den Nassplatten-Kollodiumprozess muss jede Platte direkt vor der Aufnahme vorbereitet werden. Das heißt, dass du eine tragbare Dunkelkammer oder ein entsprechendes Zelt brauchst. Wenn du die Nassplatten-Fotografie nutzen möchtest, bereite deine Aufnahme bzw. dein Motiv vor, bevor du die Platte vorbehandelst. Andernfalls kannst du dir mit der Komposition der Aufnahme keine Zeit lassen.
Ferrotypien werden in der Regel mit einer Plastikabdeckung geliefert. Entferne sie und reinige die Platte gründlich. Trage dann das Kollodium auf die Platte auf und warte ca. 20 Sekunden, damit es sich setzen kann.
„Bereite in einer Dunkelkammer ein Silberbad vor, das aus 9 % Silbernitrat und 91 % destilliertem Wasser besteht“, rät Clifford. Lege die Platte dann vorsichtig in das Silberbad und lasse sie dort 2–4 Minuten liegen. „So wird die Platte lichtempfindlich“, fügt Clifford hinzu. Lasse die Silberlösung abtropfen und setze die Platte mit der Oberseite nach unten in den lichtgeschützten Plattenhalter ein.
Aufnahme der Ferrotypie.
Um ein Foto aufzunehmen, setze die vorbereitete Platte (innerhalb des Plattenhalters) in die Kamera ein. Richte deine Szene ein bzw. organisiere deine Models und setze die Platte einer Lichtquelle aus. Dieser Prozess kann sich je nach Kamera unterscheiden. Bei älteren Ferrotypiekameras richtest du deine Szene oder dein Motiv ein, schaust durch die Kamera und stellst vor dem Einsetzen der Platte den Fokus ein.
„Vielleicht benutzt du eine Kamera oder ein altes Objektiv ohne Verschluss. Diese alten Messingobjektive haben keine Verschlüsse. Deshalb verwenden Fotografen manchmal Objektivdeckel oder -abdeckungen, um die Lichtquelle zu verdecken, wenn die Belichtung abgeschlossen ist“, so Froula-Weber. „Ich verwende alte Messingobjektive. Ich entferne also einfach den Schieber an der Rückseite, damit Licht zur Platte durchkommen kann. Dann öffne ich den Objektivdeckel, um die Ferrotypie zu belichten.“
Ferrotypien weisen in der Regel einen niedrigen ISO‑Wert, also eine geringe Lichtempfindlichkeit auf. Mit einem ISO von 1 oder 2 brauchst du eine längere Belichtungszeit, um erfolgreich Bilder aufzunehmen. Eine Belichtung von 8 bis 20 Sekunden ist ein guter Ausgangspunkt. Da es schwierig sein kann, die richtige Belichtungszeit zu finden, sieht man laut Froula-Weber viele Fotografen, die vor der eigentlichen Aufnahme eine Testplatte bearbeiten.
Achte bei der Belichtung auf die Lichtbedingungen. Natürliches Licht, wie ein offenes Fenster oder bewölktes Wetter, können dir dabei helfen, eine gleichmäßige Belichtung zu erreichen. Wenn dein Objektiv eine Blenden-Einstellung bietet, passe sie an, bevor du mit deinem Foto beginnst. Wenn du eine größere Blende verwendest, kommt mehr Licht hinein, wodurch du kürzere Belichtungszeiten erreichst. Eine größere Blende sorgt außerdem für eine niedrigere Tiefenschärfe.
Fotos von Jennifer Froula-Weber
Entwickeln des Bildes.
Wie bei der Filmfotografie muss die Platte nach der Belichtung entwickelt werden. Bringe die Zinnplatte (noch innerhalb des Plattenhalters) in die Dunkelkammer, nimm sie aus dem Halter heraus und gieße die Entwicklungslösung entlang einer Kante, damit sie schnell und gleichmäßig über die Platte fließt. Nach 10–15 Sekunden solltest du langsam ein schwaches Bild erkennen können. (Hinweis: Für die Vorbereitung der Belichtung wird Kollodium auf die Mitte der Platte gegossen. Dann neigst du sie, um das Gemisch auf der gesamten Oberfläche zu verteilen.)
Warte also nicht, bis du das Bild perfekt sehen kannst, bevor du Wasser darüber kippst, um die Entwicklung zu stoppen. „Du musst deine Platten leicht unterbelichten, auch wenn das erst einmal komisch klingt. Getrocknet wird das Bild dann viel heller, als man denkt. Wenn deine Platte also etwas zu dunkel aussieht, mache dir keine Sorgen. Es ist sogar besser, wenn sie etwas dunkler ist“, empfiehlt Froula-Weber.
Als Nächstes kommt die Platte in die Fixierlösung. Hierdurch wechselt das Bild in ca. 20 Sekunden von Negativ zu Positiv.
Wenn dieser Schritt abgeschlossen ist, lege die Zinnplatte in lauwarmes Wasser und spüle sie ca. 20 Minuten lang ab. Nimm die Platte anschließend heraus, wische die Rückseite ab und lasse sie ca. 30 Minuten lang auf einem Gestell trocknen. Füge am nächsten oder übernächsten Tag eine Lackierung hinzu, um die Ferrotypie zu schützen.
Digitalisierte Ferrotypien.
Ferrotypien sind zwar physische Fotos, doch viele scannen sie ein, um auch eine digitale Kopie zu haben. „Viele nutzen einen Scanner, aber eine hochauflösende Digitalkamera funktioniert genauso gut, wenn nicht sogar besser“, empfiehlt Clifford.
Es kann schwierig sein, das Foto so zu bearbeiten oder zu scannen, dass es genau so aussieht wie die Ferrotypie. Ein guter erster Schritt ist es, das Foto in Adobe Photoshop zu importieren und in Graustufen umzuwandeln. Dann kannst du die RGB‑Schieberegler anpassen, bis das Bild deiner Ferrotypie entspricht. Wende einen warmen Fotofilter oder eine Vorgabe an und nutze den Reparatur-Pinsel, um Fehler zu korrigieren – aber nicht so sehr, dass hierdurch der Vintage-Look zerstört wird.
Die Ferrotypie ist eine komplexe Art der Fotografie, doch der physische Prozess führt zu einzigartigen Bildern und Portraits, die an die Vergangenheit erinnern. Egal, ob du es einfach einmal selbst ausprobieren oder einfach nur die Ästhetik der Ferrotypie in deiner digitalen Kunst verwenden möchtest – mit dem Retro-Look kann jeder etwas anfangen.
Mitwirkende.
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