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FOTOGRAFIE
Ein anderer Blick auf die Dinge: abstrakte Fotografie.
Drücke dich mit abstrakter Fotografie auf unerwartete Weise aus und erfahre, wie du dir Texturen, Perspektiven, Maßstab und Verschlusszeit zunutze machst, um faszinierende abstrakte Kunstwerke zu schaffen.
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Ob Nahaufnahme oder Bewegungsunschärfe: Entdecke verschiedene Ausdrucksformen.
Als abstrakte Fotografie bezeichnet man Bilder, die mit fotografischer Ausrüstung und Materialien erzeugt werden, die man nicht unmittelbar mit der physischen Welt verbindet. Durch Verändern von Perspektive, Bewegung und Licht werden vertraute Eindrücke in etwas Unerwartetes verwandelt, das oft nicht zu erkennen ist. „Die abstrakte Fotografie ist nicht gegenständlich. Sie beschäftigt sich mit der Textur oder mit einem Detail von alltäglichen Objekten oder erinnert dich an etwas ganz anderes“, erklärt die Professorin und Fotografin Tina Tryforos. Für abstrakte Fotografie gibt es keine Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Aber es gibt grundsätzliche Prinzipien, die Künstler anwenden, um Fotos abstrakt zu gestalten.
Was versteht man unter abstrakter Fotografie?
Normalerweise sind Fotos Abbildungen der realen Welt. Abstrakte Bilder hingegen geben Motive ganz anders wieder. „Ich fordere Einsteigende immer dazu auf, sich die Welt weniger konkret vorzustellen, sondern Neues auszuprobieren, Licht und Schatten anders zu betrachten und mit Formen und Wiederholungen zu arbeiten. Ich ermutige sie, innovativ zu denken und zu sehen“, sagt Tryforos.
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Mit der Perspektive spielen.
Wenn du deine Sicht auf die Welt und deine Perspektive durch das Kameraobjektiv änderst, entdeckst du Motive, deren Einzigartigkeit du mit einem abstrakten Bild transportieren kannst. Versuche, ein Stillleben-Foto nicht aus der herkömmlichen Perspektive, sondern aus ganz anderen Blickwinkeln festzuhalten, wie etwa von oben oder unten. Schule dein Auge, um mehr zu sehen als das, was direkt vor dir ist.
Nahaufnahme als Stilmittel.
Eine weitere faszinierende Möglichkeit für abstrakte Fotografie ist das Heranzoomen klar erkennbarer Motive. Kunstschaffende wie Aaron Siskind spielen mit dem Maßstab, um die Details eines Objekts zu beleuchten und zu betonen. „Für diese Art von Fotografie werden häufig Makroobjektive eingesetzt, da sie die Form des Motivs vereinfachen“, erklärt Tryforos. Mit Makroobjektiven lassen sich sehr gut die Details herausarbeiten. Nehmen wir das Beispiel einer Makrofotografie von Sand am Strand. Indem man den Sand aus dem Strandkontext herausnimmt und statt dessen Schatten, Textur und Beleuchtung der einzelnen Sandkörner in den Fokus rückt, erzeugt man ein abstraktes Bild.
Abstrakte Landschaften erschaffen.
Im Gegensatz zur abstrakten Fotografie ohne erkennbares Motiv fängt die Landschaftsfotografie die Umgebung ein und bringt ihre Schönheit auf realistische Weise zum Ausdruck. Diese Ansätze scheinen sich zu widersprechen, doch die Natur bietet jede Menge Inspiration für abstrakte Landschaftsfotografie.
Luftaufnahmen, absichtliches Bewegen der Kamera oder Verschleiern eines Fotorahmens können klar erkennbare Landschaften in faszinierende abstrakte Bilder verwandeln. Beispiel: Schnelles Schwenken der Kamera beim Fotografieren eines Walds lässt die Farben verschwimmen und die Enden der Äste zerfließen. Das Betrachten von Landschaften aus einem völlig neuen Blickwinkel heraus ermöglicht die Abstraktion.
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Eine Welt aus Textur und Licht erkunden.
Experimentiere mit Textur und Farbtönen in Fotos. Bei der abstrakten Fotografie „kannst du ein Foto eines alten Heizkörpers, bei dem der Lack abblättert, in ein Motiv verwandeln, das sich auf Muster, Farbe, Licht und Textur konzentriert“, so Tryforos. Unterschiedliche Texturen lassen unterschiedliche Atmosphären und Emotionen beim Betrachter entstehen – allein mit den Farben und Formen in deiner direkten Umgebung kannst du viel ausdrücken.
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Sich bewegende Objekte erfassen.
Traditionelle Fotos werden mit kurzer Verschlusszeit aufgenommen. Dabei wird ein einzelner Moment festgehalten, der wie eingefroren wirkt. Das Hinzufügen von Bewegung macht ein Bild etwas abstrakter. Mit kürzeren Verschlusszeiten lassen sich Fotos mit langer Belichtung erzeugen. Wenn du den Verschluss deiner Kamera länger geöffnet lässt, kannst du die Bewegungsunschärfe eines vorbeifahrenden Autos einfangen. Hältst du die Kamera ruhig, lässt sich die Bewegung des Autos in deine Aufnahme integrieren, während alles andere statisch bleibt. Das Auto sieht im Bild wie ein Lichtstreifen aus; die anderen Elemente des Fotos bleiben erkennbar. Experimentiere außerdem mit der Bewegungsunschärfe von sich ständig bewegenden Dingen, wie etwa Wasser oder Rauch. Fügt man zu einem Bild neue Elemente hinzu, lässt sich aus etwas Gewöhnlichem etwas Außergewöhnliches erzeugen.
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Nachbearbeitung von Fotos.
Eindrucksvolle abstrakte Fotografie entsteht nicht nur mit der Kamera. Ein wesentlicher Faktor ist hierbei die Nachbearbeitung. Egal, ob du mit herkömmlichem Film und Dunkelkammer arbeitest oder eine DSLR- bzw. Digitalkamera mit Adobe Photoshop verwendest – nach der Aufnahme kann man aus einem abstrakten Foto noch sehr viel mehr herausholen. „Ändere die Sättigung deiner Bilder. Experimentiere mit den RGB-Kurven des Fotos, und passe den Kontrast an,” so der Künstler und Werbefotograf John Spannos. Es ist auch möglich, ein Standardbild ausschließlich mit Tools zur Nachbearbeitung in ein abstraktes Bild zu verwandeln.
Digitale Fotocollagen sind eine andere Spielart der abstrakten Kunst. Erfahre, wie du durch die Kombination verschiedener Elemente von Fotos abstrakte Kunstwerke erstellen kannst.
- Carolina Niño kombiniert die Texturen und Formen erkennbarer Objekte zu überaus originellen abstrakten Mustern.
- Taiyo Yamamoto gestaltet atmosphärisch dichte, abstrakte Album-Cover, indem er Bilder und verschiedene überlagernde Texturen in Photoshop kombiniert.
- Erik Johansson verfolgt einen anderen Ansatz bei der abstrakten Fotografie: Er kombiniert 10 Standardbilder und erzeugt aus den dadurch verfügbaren Formen und Texturen ein einzigartiges, überirdisch wirkendes Porträt.
Am besten erschließt sich einem das Konzept der abstrakten Fotografie, wenn man einfach loslegt und Verschiedenes ausprobiert. „Mache jeden Tag Fotos von allem Möglichen. Suche gewöhnliche Objekte, und gestalte mit ihnen irgendein Foto. Spiele mit Licht und Schatten“, rät Spannos. Durch geduldiges Üben und Ausprobieren verbesserst du dich kontinuierlich und bist bald in der Lage, großartige abstrakte Kunstwerke zu erschaffen.